Maria Zgraggen

Maria Zgraggen, aus der Serie «Népstadion», 2005-2008, Fotografie auf Cakepapier, 20 x 40 cm
Maria Zgraggen, aus der Serie «Népstadion», 2005-2008, Fotografie auf Cakepapier, 20 x 40 cm

Während eines Aufenthaltes in Budapest stiess die Künstlerin auf den Artikel «Die ungarische Fussballkatastrophe 1954» von György Dalos. Dieser Artikel weckte die Neugierde für dieses Fussballstadion, welches 1954 für 100‘000 Zuschauer eröffnet wurde: In einer Zeit, als Sport ein direkter Bestandteil der Politik war und Ungarn eine erfolgreiche Fussball-Nationalmannschaft hatte. Doch im Weltmeisterschaftsjahre 1954 wurde diese  – in Bern – nicht wie erwartet Weltmeister, sondern «nur» Vizeweltmeister.

Von Sportanlagen fasziniert, erkennt Maria Zgraggen die Begrenzung des Feldes, auf dem nach klaren Gesetzten gekämpft oder gespielt wird, als klar umrissenes Bild. Im Gegensatz zum Fussballspiel, das immer noch hauptsächlich männlich konnotiert bleibt, ist das Tortenpapier weiblich. Das hart umrissene Spielfeld und das weiche Ornament des Tortenpapiers verbindet die Künstlerin zu berückenden, feinen Bildkompositionen.

Text: Barbara Zürcher
Zitate: Maria Zgraggen (aus Interview mit Barbara Zürcher)

Was Maria Zgraggens Installationen, Bilder und Objekte so interessant macht, ist die Vielfalt der Strukturen, sind die Details – in jeder Partie scheint ein eigenes Farbleben zu stecken. Die Farbschichten bestehen aus einer Vielzahl von Binnenformen, und was unsere Augen innerhalb von diesen, an ihrer Oberfläche beschäftigt, ist unglaublich reich, vibrierend in den Tönen und Nuancen, wechselt das Gefüge unentwegt, ist letztlich für die pulsierende Wirkung des Bildes, des Objekts verantwortlich – ist seine bildnerische Qualität. Ein durchgearbeitetes Bild, würde ein Malerkollege vielleicht anerkennend sagen. Eine Malerei, die in jeder Partie mehr hält, als sie zunächst verspricht und uns auf den zweiten, dritten, hundertsten Blick noch Neues entdecken lässt, bislang nicht Wahrgenommenes.

Maria Zgraggen zieht sich nie ins Unverbindlich-Gestische oder in die blosse Abstraktion zurück. Sie lotet stets die Grenzen der Lesbarkeit aus. Damit bleibt ihre Sprache verbindlicher. Mit Zeichen und Wörtern im Bild oder mit Bildtiteln stachelt sie die Assoziationslust der Betrachtenden an. Diesen Mechanismus der Bedeutungsaufladung verwendet die Künstlerin in ihrem gesamten Werk. Wie gehen wir mit sichtbaren Dingen um, die wir nicht klar erkennen oder benennen können? Die Künstlerin rührt damit an ein zentrales Problem des Verhältnisses von Bild und Text, wie es die Philosophie nach dem «linguistic turn» des 20. Jahrhunderts intensiv beschäftigt hat.

«Wir bewegen uns in dieser globalisierten, technisierten Welt gleichzeitig auf den verschiedensten Ebenen, in realen und virtuellen Welten. Das erzeugt Bilderfluten. Die Bilderfolgen sind nicht mehr an eine logische, herkömmliche Sichtweise gebunden. Die Transparenz und das Sich-Überschneiden der verschiedenen Erfahrungsebenen lassen andere Ausdrucksweisen zu. Zur Illustration: der reale Hase frisst eine Karotte. Ich kann nun den Hasen ganz legitim, vergnüglich und logisch ein Alphabet statt einer Karotte verschlucken lassen.»

«Nur, das Wissen um ein gutes Stück Malerei macht noch lange keine gute Kunst. Die Energie, die Vorstellung muss auch noch durch die Hand über den Pinsel auf die Leinwand transferiert werden. Die Kopfarbeit dazwischen ist nützlich im Sinne des Erkennens und Entscheidens, aber für die Ausführung braucht es noch andere Fähigkeiten, und die sind nicht unbedingt im Kontrollbereich angesiedelt. Rezepte gibt es nicht. Man schafft die Kreativität jeden Tag von Neuem. Es braucht Bereitschaft für und Freude am Ungewissen, Neugier, Offenheit und nicht zu viel Angst vor Schlaglöchern.

Wenn die Arbeit mit einer Selbstverständlichkeit in sich ruht, wenn das Verschieben einer nur Millimeter grossen Fläche die Ruhe zerstören würde und wenn das Werk nach Monaten des Nicht-Betrachtens noch die gleiche Selbstverständlichkeit ausstrahlt, erst dann ist die Arbeit für mich abgeschlossen.»

Maria Zgraggen
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1957 in Schattdorf, Uri
1982-1995 Englandaufenthalt, Corsham und London
seit 1995 lebt und arbeitet in Bürglen, Uri

Ausbildung
1978-82 Studium, Abteilung Freie Kunst, Schule für Gestaltung Luzern (heute: Hochschule Luzern – Design & Kunst)
1982-1983 Gaststudium (Malerei) an der Bath Academy of Art, Corsham
1984 MA in Fine Art (Malerei) an der Chelsea School of Art, London
1985 Gaststudium (Radierung) an der Bath Academy of Art, Corsham

Einzelausstellungen (Auswahl)
2017 Eröffnungsausstellung. Galerie Kriens, Kriens
2016 The Wandering Eye. Kunstplattform Akku, Emmen
2015 Wieder Blau. Galerie Mäder, Basel
2014 Maria Zgraggen. Neue Arbeiten. Galerie Carla Renggli, Zug
2012 Maria Zgraggen. Colors. Galerie Mäder, Basel
Maria Zgraggen. Lines. Galerie Mäder, Basel
2011 Maria Zgraggen. Neue Arbeiten. Galerie Carla Renggli, Zug
2009 Galerie Kriens, Kriens
Blickwechsel: Heinrich Danioth – Maria Zgraggen. Haus für Kunst Uri, Altdorf (Kat.)
2008 Zwischen Zeiten. Galerie Apropos, Luzern
2007 Galerie Gersag Emmen, Emmenbrücke

Gruppenausstellungen
2018 Jahresausstellung Zentralschweizer Kunstschaffen XL. Kunstmuseum Luzern
2015 «Malerei!» Galerie Adrian Bleisch, Arbon
2014 The Solo Project. St. Jakobshalle, Basel
Frisch Gemalt. Museum Bruder Klaus, Sachseln
2013 Stadium. Arc en rêve, centre d’architecture, Bordeaux
Swiss, Abstract. Myrtha Steiner, Maria Zgraggen. Galerie Römerapotheke, Zürich
2012 Neues aus den Ateliers. Galerie Carla Renggli, Zug
Farbexplorationen. Schirin Kretschmann und Maria Zgraggen. Benzeholz, Raum für zeitgenössische Kunst, Meggen
2011 Holz. Galerie Carla Renggli, Zug
Papierarbeiten. Otto Grimm & Maria Zgraggen. Galerie Susanna Rüegg, Zürich
2010 Zentralschweizer Kunstszenen. Jahresausstellung 2010. Kunstmuseum Luzern
Edition 5 Erstfeld. Haus für Kunst Uri, Altdorf (Kat.)
One Shot! Football and Contemporary Art. B.P.S.22, Charleroi, Belgium (Kat.)
2009 7 Positionen in der Malerei. Galerie Esther Hufschmid, Zürich
2008 Replay. Der Ball in der Kunst. Haus für Kunst Uri, Altdorf (Kat.)
Kür – Kantonale Kunst und Käufe Obwalden. Museum Bruder Klaus, Sachseln (Kat.)
2007 Kleinformate. Galerie Carla Renggli, Zug

Auszeichnungen
2018 Visarte Schweiz Atelieraufenthalt, Cité internationale des arts, Paris
2013 Innerschweizer Kulturpreis
2010 Förderbeitrag. Landis & Gyr Stiftung, Zug
2004-2005  Werkjahr. Collegium Budapest, Landis & Gyr Stiftung, Zug
2001  Atelierstipendium New York. Urner Kunst- und Kulturstiftung (Kulturstiftung Heinrich Danioth)
1991 Atelierstipendium London. Landis & Gyr Stiftung, Zug
1986-1987  Atelierstipendium Rom, Istituto Svizzero di Roma
1985/86/90  Eidgenössisches Kunststipendium
1985 Stipendium Gaststudium (Radierung), Bath Academy of Art, Corsham
1982/83 Förderbeitrag der Urner Kunst- und Kulturstiftung (Kulturstiftung Heinrich Danioth)
1982 Stipendium Gaststudium (Malerei), Bath Academy of Art, Corsham

www.mariazgraggen.ch
www.hausfuerkunsturi.ch/allgemeines/transformationen-mythos-alter/
www.hausfuerkunsturi.ch/allgemeines/kunst-fuers-buero/
www.hausfuerkunsturi.ch/allgemeines/edition-5-erstfeld/
www.hausfuerkunsturi.ch/allgemeines/im-schatten-der-pyramiden/
www.hausfuerkunsturi.ch/allgemeines/blickwechsel-heinrich-danioth-maria-zgraggen/
www.hausfuerkunsturi.ch/allgemeines/replay-der-ball-in-der-kunst/

Urs Frei, "Ohne Titel", 2001; Maria Zgraggen, "1088 Budapest, ...", 2005; Christoph Rütimann, "Grün in Rot 1", 2009; Roman Signer, "Eishokey", 2009
M. Zgraggen, «Das 1 x 1 der Schichten», 2009, Mixed Media
Ausstellungsansicht Haus für Kunst Uri - Blickwechsel: Heinrich Danioth - Maria Zgraggen 2009; Maria Zgraggen, «Das 1 x 1 der Schichten» 2009, Mixed Media; Foto: F.X. Brun