Aldo Walker

Kunst und Innerlichkeit
Eine Anmerkung zu Aldo Walker
Ausschnitt aus dem Text von Bruno Steiger im Katalog TANDEM

Der Begriff «Innerschweizer Innerlichkeit» wurde um 1970 in Umlauf gebracht und fand rasch Aufnahme in den Medien. In der helvetischen Kunstgeschichte steht er für eine regional verankerte Vielfalt von Gestaltfindungen, die sich, verkürzt gesagt, als Umsetzung von subjektiven Bildwelten darstellten und sich auch im jeweiligen Format von den grossen Gesten der Epoche deutlich abhoben. Im Kreis um Aldo Walker, dem ich in jenen Jahren nahestand, wurde das Schlagwort unterschiedlich aufgenommen. Etliche Kunstschaffende nahmen es zum Anlass, ihre Hervorbringungen mit dem Etikett eines «Stils» zu versehen, andere sahen darin wenig mehr als eine Unterstellung, die ihren Intentionen nur in unzulässiger Vereinfachung gerecht wurde. Walker selbst hat sich meines Wissens zu dem Begriff nicht geäussert; sein Augenmerk galt anderen, weiter ausgreifenden Problemen. Walker war zu der Zeit mit der Frage nach einer künstlerischen Praxis befasst, in welcher sich Theorie und Anwendung, Verdacht und Versuch zu etwas verbinden sollten, was man Kritische Kunst nennen könnte.

In stiller Übereinkunft mit dem frühen Wittgenstein plädiert er für eine poetische Wahrnehmung, die unabhängig von kulturellen Voreinstellungen zu einem ganz eigenen Bild der Welt kommen soll. Es ist ebenso Parteinahme für eine in sich geschlossene Einzigartigkeit des Individuums, die Walker in den universal geltenden Ideen nicht repräsentiert sieht. So etwas wie Autonomie mag er dem Einzelnen gleichwohl nicht zuschreiben, zu tief erscheinen ihm die Prägungen, die unser Sein bestimmen. Dagegen nun stellt Walker sein Konzept einer generellen Abweichung, die allen äusseren wie inneren Einflüsterungen Stand zu halten vermöchte, in Bildofferten, die sich von jedem immer möglichen «anderen» Bild uneinholbar absetzen. Von dieser Suche nach einer grundlegenden Abweichung ist Walkers bildnerisches Werk der Achtzigerjahre geprägt. In all seinen Schockeffekten stellt es die Frage nach der Reichweite eines individuellen, auf subjektiven Vorstellungen gründenden Ausdrucks noch einmal. Folgerichtig konzentriert sich Walker in seinem 1999 realisierten Morphosyntaktischen Objekt auf die Auslotung des Begriffs «künstlerische Handschrift». In dem mehrteiligen Bildwerk vollendet Walker ein Jahr vor seinem Tod das Programm einer Kunst, die Innerlichkeiten jeder Art gleichermassen unterlaufen wie übersteuern muss, um zu ihrer spezifischen, von Verstehensakten nicht korrumpierbaren Gültigkeit zu kommen.

Aldo Walker
*06.11.1938 in Winterthur, heimatberechtigt in Silenen UR
†17.03.2000 in Luzern

Ausbildung / Biografie
1954–1958 Lehre als Elektromonteur
1960 Heirat mit Mathilde Fleischmann
1960–1979 Als Autodidakt nebenberufliche Tätigkeit als Künstler und Grafiker
Vater von zwei Töchtern (*1961 und *1962)
1962 Diplom als Werbeassistent, SG Darmstadt
1964 Umständehalber Übernahme der Geschäftsleitung im väterlichen Betrieb
1964/65 Studium an der Höheren technischen Lehranstalt Hard in Winterthur
1966 Diplom als eidg. dipl. Elektromonteur
1967 Übernahme des väterlichen Betriebes für Elektro- und Telefonanlagen
1979 Aufgabe des betriebswirtschaftlichen Status
1979–1989 Tätigkeit als freischaffender Künstler
1984 Werkjahr der Heinrich Danioth Stiftung
1987 Lehraufträge an der Höheren Schule für Gestaltung Zürich (HSfGZ)
1989 Berufung ins Leitungsteam der Weiterbildungsklasse Visuelle Gestaltung HfG und HSfGZ
1991–1998 Studienbereichsleiter Visuelle Gestaltung HfG/HGK Zürich
Seit 1994 war er als Studienbereichsleiter und Mitglied des Senats der SfG/HGK Zürich in die Fachhochschulplanung involviert, arbeitete an der Entwicklung der neuen Strukturen und Unterrichtskonzepte intensiv mit.
1998–2000 Tätigkeit als freischaffender Künstler in Luzern
Entwicklung des Morphosyntaktischen Objekts, das Walker im Mai 1999 in einer ersten, siebenteiligen Fassung in der Kulturzeitschrift du im Themenheft «Risiko Kunst: Hugo Suter, Rolf Winnewisser, Aldo Walker» publiziert und im Spätsommer als sechsteilige Wandmalerei im Helmhaus Zürich ausführen lässt. Es entstehen zudem neben zwei Objekten für die Edition 5, die Walker als «Zufallswerke» bezeichnet, das zweite Rhetorische Objekt (1999) und das Intensionslose Objekt (2000).

Einzel- und Gruppenausstellungen in namhaften Galerien und Museen im In- und Ausland
Zahlreiche Artikel, Monografien und eigene Publikationen
Öffentliche Aufträge u. a.: Kantonale Klinik für Psychiatrie in St. Urban; Schweiz. Nationalbank, Filiale Luzern; Kant. Archiv, Luzern

Auszeichnungen
1984/86 Bundesstipendium BAK, Werkjahr
1984/85 Stipendiat am Institut for Art and Urban Resources, New York
1986 Repräsentant der Schweiz (mit John m Armleder) an der Biennale in Venedig
1987 Kunstpreis der Stadt Luzern

www.sikart.ch
www.hausfuerkunsturi.ch/allgemeines/aldo-walker-auf-dem-tandem-mit/
www.hausfuerkunsturi.ch/allgemeines/edition-5-erstfeld/