Ursula Bachman

Seh- und Seelenräume

Die Menschen seien so klein auf meinen Zeichnungen, ich solle sie besser zeigen, riet mir beim Betrachten meiner Kataloge die Dichterin Dabia Khamis, Diplomatin im Dienste der Arab League. Sie spürte, was unausgesprochen blieb. Ihre Kritik traf, und fortan versuchte ich, vermehrt den Menschen, das Individuum und Details ins Blickfeld zu rücken. Ich bemühte mich, sozusagen ägyptisch zu sehen. Doch alle Versuche scheiterten Mal für Mal am Gefühl, dass etwas fehlte: ein Klang- und Sehraum, ein Seelenraum auch, in dem diese Menschen eingebettet, geborgen und gleichzeitig gefangen sind. Daraus entstand eine Verknüpfung der ägyptischen und der schweizerischen Sehweise. Die Details bezeichnen die Erde, den Stein, den Stoff, das Flickwerk am Motorrad, letztlich Zugehörigkeit und Identität. Die ornamental-narrativen Raumrepräsentationen hingegen sind Seelen-, Seh- und Klangraum.

Als ich mich im Frühling 2008 im Atelier auf der Nilinsel in Kairo aufhielt, spürte ich, wie sich dieser Raum mit einer ohnmächtigen Verzweiflung der Leute füllte. Die politische und intellektuelle Aufbruchstimmung war verschwunden, die zwei Jahre zuvor bei einem vorgängigen Aufenthalt geherrscht hatte. Subventioniertes Brot war knapp, die Proteste wurden lauter und die Inflation zog an. Das Notrecht wurde von der Regierung um weitere zwei auf nunmehr schon 28 Jahre verlängert. Die Leute reagierten auf das Demonstrationsverbot mit Boykotten, sodass zuweilen eine gespenstische Ruhe entstand. Der Garten auf der Nilinsel blieb inmitten der Grossstadt unser Fix- und Ruhepunkt. Aber es war deutlich spürbar, dass im weiten Klangraum des Nils die gesellschaftlichen Gegensätze begannen, sich immer mehr zu reiben und weiter auseinanderzuklaffen.
‹Ursula Bachman›

Ursula Bachmann
*1963 in Zug
lebt und arbeitet in Zürich

Ausbildung
1984–1988 Lehrdiplom, Schule für Gestaltung Luzern (heute Hochschule Luzern Design & Kunst)
1989–1990 Master of Art in Fine Art, Birmingham University (UK)

Medien der künstlerischen Arbeiten
Zeichnung, Installation, Multimedia, Objekte

Einzelausstellungen (Auswahl)
2004 Lifted City, Nidwaldner Museum, Salzmagazin, Stans
2003 Soft City, Mesopotamien Institute for Culture, Bagdad
2002 Soft City, Arabisches Kulturzentrum Mezzeh, Damasku
Fireplaces, Forum Vebikus, Kulturzentrum Kammgarn, Schaffhausen
2001 Soft City, mit Corina Rüegg, IG Halle, Rapperswil

Gruppenausstellungen (Auswahl)
2007 The Race, mit Teresa Chen und Ursula Palla, PROGR. Zentrum für Kulturproduktion, Bern
Werk- und Atelierstipendien der Stadt Zürich, Helmhaus Zürich
2006 25. Viper, Internationales Festival für Film, Video und neue Medien, Basel
2005 Fantoche, Internationales Festival für Animationsfilm, Baden
2004 Architekturfilmfestival, Brotfabrik, Berlin

Publikationen (Auswahl)
2006 Johanna Lier, «So what»: in englischer Sprache ich denke «so what», mit Bildern von Ursula Bachman aus dem Projekt Lifted City, Babylon Verlag, Zürich/Bagdad
2005 Ursula Bachman. Zeitlupe. Time lens, Edition Delta, Stuttgart
2000 Urs-Beat Frei (Hrsg.), Das Kissen des Bruder Klaus, Museum Bruder Klaus,  Sachseln

Auszeichnungen (Auswahl)
2003 1. Preis, Eingeladener Wettbewerb der Stadt Luzern, Kunst am Bau, Erweiterungsbau Wohnheim Eichhof in Luzern, ausgeführt
1995 1. Preis, Konzeptwettbewerb Bahnhofplatz- und Bahnhofarealgestaltung in Zofingen, ausgeführt
1991 1. Preis, Öffentlicher Wettbewerb Kunst am Bau des Kantons Luzern, Staatsarchiv Luzern, ausgeführt

Ägyptenaufenthalte
Mehrere künstlerische Aufenthalte auf Eigeninitiative
2008 Kairo, sechs Monate Atelieraufenthalt, Konferenz der Schweizer Städte für Kulturfragen (KSK), Stadt Zürich

www.bachman.ch
www.hausfuerkunsturi.ch/allgemeines/im-schatten-der-pyramiden/