Urs Breitenstein

Die Mehlschuh-Arbeit ist für die Ausstellung viatico [vi’a:tiko] entstanden, die Home Abroad im Jahr 2000 in Frankfurt am Main veranstaltet hat. Das Assoziationsfeld von “viatico” reicht vom Reiseproviant über die Ermunterung für ein Vorhaben bis hin zu den Vorbereitungen für die letzte Reise.
Mit Dingen des alltäglichen Lebens habe ich ein Bild entwickelt, das Gewohntes auf den Kopf stellt und die Wahrnehmung in kreisender Bewegung hält: Ein von mir wenige Male getragenes Paar Schuhe, auf Augenhöhe an die Wand montiert, die Sohlen nach oben gerichtet, bildet nun den Horizont, der uns beim Gehen sonst begleitet. Was wir auf Wanderungen als Brotzeit mit uns tragen, wird hier als Mehl gehäuft zum Gebirge, das auf Sohlen ruht, die in der Landschaft sonst nur winzige Abdrücke hinterlassen. Der Träger der Schuhe scheint aus diesen heraus in eine unbestimmte Abwesenheit gefallen zu sein, während die Schnürsenkel frei hängend wurzeln.

Die Mehlschuh-Arbeit wurde nach viatico [vi’a:tiko] in weiteren Themenfeldern präsentiert, so in den Ausstellungen Frankfurter Kreuz – Transformationen des Alltäglichen in der zeitgenössischen Kunst (2001) in der Frankfurter Schirn Kunsthalle, Der Berg (2002) im Heidelberger Kunstverein, Kleine Formate (2004) in der Overbeck-Gesellschaft in Lübeck, Settlement and Nemesis (2008) bei Change and Partner in Rom und nun im Haus für Kunst Uri in Altdorf.

Die Arbeit “Gebirg” besteht aus einer flachzylindrischen Wandlampe mit appliziertem Folienschnitt, dessen Motiv von einem gefundenen Rundsignet abgeleitet ist.
Sogenannte “Bildlampen”, bei denen Bildzeichen und Lampenkörper zu einer selbstverständlichen Einheit verschmelzen, setze ich seit 1994 situationsbezogen in verschiedenen Kontexten und Größen ein – in Innenräumen als lichtspendende Lampen, im öffentlichen Aussenraum in der Mimikry einer Leuchtreklame.
Sie gehören zu einem Strang meiner Arbeit, bei dem gefundene Signets in neuem Kontext eine erweiterte Bildqualität gewinnen. So öffnet die Bildlampe “Gebirg” einer Vedute gleich den sie umschließenden Raum.
Urs Breitenstein, Januar 2010

Urs Breitenstein
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1951 in Basel
lebt seit 1980 in Frankfurt am Main

Ausbildung
1970-72 Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Germanistik an der Universität Basel
1972-76 Schule für Gestaltung, Basel, Diplom für das Lehramt für bildende Kunst
1978-79 Cooper Union School of Art, Hunter College, Independent Study Program of the Whitney Museum in New York
1980-82 Gaststudium und Assistenz, Filmklasse der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste, Städelschule, Frankfurt/M
Arbeitet an filmischen, fotografischen und installativen Projekten
1984 Gastprofessur für Film/Video an der Hochschule für Gestaltung, Offenbach am Main
1985-92 Lehrbeauftragter für Experimentalfilm an der HfG, Offenbach am Main
1993 Gastprofessur für Film/Video an der Hochschule für Gestaltung, Offenbach am Main
2000 Semesterlehrauftrag, Institut für Filmwissenschaft, Goethe-Universität, Frankfurt/M

Auszeichnungen
1991 1822-Kunstpreis, Frankfurt/M
1992 Hessische Filmförderung
1994 Projektförderung der Hessischen Kulturstiftung
1995 Atelier der Hessischen Landesbank, Frankfurt/M
1996-2002 Atelier der Frankfurter Sparkasse, Frankfurt/M
2002 Studienaufenthalt in der Casa Baldi, Olevano Romano, Stipendium des Landes Hessen

Ausstellungen (Auswahl der letzten Jahre)
2010 Berge versetzen …, Haus für Kunst Uri, Altdorf
2009 Rückkehr, Neuer Kunstverein Aschaffenburg, Aschaffenburg
2008 Settlement and Nemesis, Change and Partner Contemporary Art, Rom
Impfstoffe/Vaccinations, Home Abroad, Frankfurt/M
2007 Induzione critica 2, Change and Partner Contemporary Art, Rom
Filmfront(al), Kunsthalle, Basel
2006 O.T., architekturbezogene Fototafeln, Justizneubau am Mathildenplatz, Darmstadt
2004 Urs Breitenstein, Museo Laboratorio di Arte Contemporanea, La Sapienza, Rom (Einzel)
Kopf und Kragen, Kunstverein Rüsselsheim in der Opel Werkshalle A1, Rüsselsheim (Einzel)
transgressing systems, Projekt von Hubert Salden, Haus Speckbacher Straße 23, Innsbruck
2002 Feuer und Flamme, Beitrag zu Luminale, Mainova Hauptwache, Frankfurt/M (Einzel)
Leuchtspur, Projekt Kulturmeile Frankfurt, Frankfurt/M (Katalog)
HausE, Ehemalige HNO-Klinik im Klinikum der Stadt Ludwigshafen (Katalog)
Der Berg, Heidelberger Kunstverein, Heidelberg (Katalog)
total überzogen, Edith-Ruß-Haus für Medienkunst, Oldenburg (Katalog)
2001 Avanguardia nel presente, Museo Laboratorio di Arte Contemporanea, Rom (Publikation)
Frankfurter Kreuz – Transformation des Alltäglichen in der zeitgenössischen Kunst, Schirn Kunsthalle, Frankfurt/M (Katalog)

www.hausfuerkunsturi.ch/allgemeines/berge-versetzen/