Fredi M. Murer

Nur wenige wissen, dass der Filmemacher Fredi M. Murer in jungen Jahren Cartoonist werden wollte und in den sechziger Jahren sein Studiengeld mit Illustrationen aufgebessert hatte, unter anderem für «Die Weltwoche». Dass er ein begabter Zeichner ist, beweisen auch seine zahlreichen Storyboards, die zum Teil veröffentlicht wurden und heute den Filmstudiengängen als wichtiges Anschauungsmaterial dienen.
In den letzten Jahren widmete er sich wieder vermehrt seiner frühen Leidenschaft. Seine Zeichnungen entstehen auf Reisen im Zug oder Flugzeug, in Hotelzimmern, im Freien oder zu Hause am Küchentisch. Was zeichnet die Hand, wenn der Kopf woanders ist oder vielleicht gar nichts denkt? – Abstrakte Muster, seismographische Linien, räumliche Strukturen, Figuren, Fabelwesen, dramatische Szenen, Paare und Gesichter – immer wieder Gesichter. Mit wenigen Strichen wird aus einer freundlichen Physiognomie eine Fratze oder ein entfernt Verwandter. «Ecriture automatique» nannten dies die Surrealisten. Zeichnend erforscht Murer auch die Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem, dem Geformten und dem beiläufig Mitentstandenen.
Barbara Zürcher

Fredi Murer hat sich als Zeichner nie um einen erkennbaren Stil bemüht oder gekümmert, wie er selber sagt: „Im Gegenteil. Ich zeichne eher anarchisch: mit offenen und geschlossenen Augen, links- und rechtshändig, blitzschnell und akribisch langsam, manieriert und ambitioniert, naturalistisch genau und manchmal sogar abstrakt, mit Vorliebe fiktive Räume oder dreidimensionale Liniengebilde. So gesehen wäre mein Stil, keinen zu haben.“ Seine Inhalte spitzt Murer zu, verzerrt die charakteristischen Züge des Ereignisses oder der Person, die er festhält, legt Fehler und Mängel des Dargestellten offen und gibt sein Sujet bisweilen gar der Lächerlichkeit preis. Murer denunziert. Und nicht nur Dritte. Oft taucht er selbst als Objekt seiner Satire auf und stösst damit in psychologische Tiefenschichten der Confessio vor, die einem Cartoon oder einer oberflächlichen Karikatur verschlossen bleiben.
Juri Steiner

Fredi M. Murer
*1. Oktober 1940 in Beckenried, NW
lebt und arbeitet seit über 50 Jahren als freischaffender Filmemacher in Zürich

Ausbildung
Jugend und Schulzeit im Kanton Uri
1958-1962 Kunstgewerbeschule Zürich
Zeichnen: Karl Schmid/Walter Roshardt
Fachklasse für Fotografie: Serge Stauffer/Walter Binder
1964 Mitarbeit «Expo 64», Pavillon «Schulwesen und Erziehung»
1965 Fotobuch: Jugend 13 – 20

Filmographie (Auswahl)
2006   Vitus (Schweizer Filmpreis und diverse internationale Preise)
2004   Downtown Switzerland
1998   Vollmond (Grandprix des Amerique, Montréal)
1994   Zwei Mal die ganze Wahrheit (unrealisiertes Drehbuch-Projekt)
1991   Die verborgene Fiktion im Dokumentarfilm
1990   Der grüne Berg
1987   Sehen mit anderen Augen
1978   Höhenfeuer (Goldener Leopard Filmfestival Locarno)
Grauzone (Filmpreis der Stadt Zürich)

1982   A New Face of Debbie Harry
1974   Wir Bergler in den Bergen sind eigentlich nicht schuld, dass wir da sind (Internationaler FIPRESCI-Preis)
1973   Christopher und Alexander
1972   Passagen
1969   Sad-is-faction
Swiss Made – 2069
1968   Vision of a Blind Man
1966   Bernhard Luginbühl
Chicorée (Spezialpreis Oberhausen)
1965   Pazifik – oder die Zufriedenen
1962   Marcel – Tag eines Elfjährigen

Auszeichnungen
1997 Innerschweizer Kulturpreis
1995 Kunstpreis der Stadt Zürich

www.filmpodium.ch
www.hausfuerkunsturi.ch/allgemeines/am-schonsten-ist-das-gleichgewicht-kurz-bevor-s-zusammenbricht/